Pause vom Elternalltag

Wenn im Familienleben einmal alles zuviel wird: Das Reha-Angebot „mia – Miteinander Auszeit“ ermöglicht Eltern gemeinsam mit ihren Kindern eine  dreiwöchige Pause vom belastenden Alltag zu nehmen. Mia-Leiterin Helga Pollheimer über das präventive Angebot, das Programm zwischen Therapien und Spielen und ein wichtiger Ratschlag für alle Eltern.

Wie kam es zur Idee, vor etwa neun Jahren das mehrwöchige Pilotprojekt „mia- Miteinander Auszeit“ als präventives Angebot für Eltern und deren Kinder ins Leben zu rufen?

Helga Pollheimer: pro mente ist bekannt als Wegbereiter für Angebote, welche es in Österreich noch nicht gibt. Mutter-Kind Einrichtungen, sogenannte Müttergenesungswerke,  gibt es in Deutschland schon sehr lange. mia ist an diese Konzepte angelehnt. Es geht um den Abstand vom Alltag. Unsere TeilnehmerInnen müssen sich in dieser Zeit z. B. nicht um den Haushalt kümmern, es ist für alles gesorgt. Sie bekommen intensive und vielfältige therapeutische Unterstützung, für die Kinder gibt es während dieser Zeit eine Kinder – und Lernbetreuung vor Ort. Es geht um eine Wiederherstellung des psychischen und physischen Wohlbefindens, darum Problemlösungsstrategien zu lernen, und auch um eine Festigung der Eltern-Kind-Beziehung.

Wer ist die Zielgruppe von mia?

Zielgruppe sind die Erziehungsverantwortlichen – meist sind es Mütter – von Kindern im Alter von 3 bis 12 Jahren. Durch einen Schicksalsschlag oder belastende Faktoren, wie z. B. Arbeitslosigkeit, benötigen sie Unterstützung und kurzzeitige Begleitung, um den Alltag in der Familie wieder besser bewältigen zu können. Die psychische Gesundheit von Eltern und Kindern steht in engem Zusammenhang, und Störungen oder Krankheiten eines Familienmitglieds können sich negativ auf das gesamte Familiensystem auswirken.

©AdobeStock, ZoneCreative

mia ist ein präventives Angebot zur Stärkung der psychischen Gesundheit. PatientInnen mit leichten oder mittelschweren Diagnosen gehören zur Zielgruppe. Bei schweren psychischen Diagnosen sind wir nicht mehr das passende Angebot. Hier wäre ein Rehabilitationsaufenthalt zu empfehlen.

Seit wann gibt es „mia – Miteinander Auszeit“ als präventives Angebot zur psychischen Stärkung von Eltern und deren Kindern?

Das Angebot mia – Miteinander Auszeit wird seit Juni 2015 ganzjährig angeboten. In den Jahren 2009 bis 2013 startete pro mente Reha in Zusammenarbeit mit der OÖGKK jeweils in den Sommermonaten mit drei 19tägigen Turnussen.  Dieses Pilotprojekt hat gezeigt, dass die Nachfrage gegeben ist und man hat sich dazu entschlossen, dieses Angebot ab Juni 2015 das ganze Jahr zur Verfügung zu stellen.

Seit 2018 bieten Sie auch einmal im Jahr einen Familienturnus für beide Elternteile an. Wie ist dieser erste Durchgang gelaufen?

Wir haben sehr positive Rückmeldungen von den teilnehmenden Familien erhalten. Vor allem für die Kinder ist die Konstellation, dass beide Elternteile vor Ort sind,  sehr positiv. Wenn es z. B. in der Kinderbetreuung noch nicht so gut klappt, dann kann jener Elternteil, welcher kein verpflichtendes Therapieangebot absolviert, die kurzfristige Betreuung des Kindes übernehmen, bis sich dieses beruhigt hat und wieder in der Fremdbetreuung bleibt.  Und für die Familie ist es toll, gemeinsam, fernab des Alltags, Zeit miteinander verbringen zu können und dabei therapeutisch und psychologisch begleitet zu werden. Damit das möglich ist, muss der Antrag beider Elternteile vom Chefarzt der jeweiligen Krankenkasse bewilligt werden.

©ProMente

Wie sieht der Tagesablauf während der drei Wochen eines mia-Aufenthaltes aus?

Von Montag bis Freitag gibt es Therapieangebote für die Mütter oder Väter, die Kinder sind währenddessen in der Kinder- und Lernbetreuung. Diese geht von 8.30 bis 11.30, danach ist eine zweistündige Mittagspause für alle eingeplant und am Nachmittag von 13.30 bis 16.30 Uhr findet wieder Therapie und auch Kinder- und Lernbetreuung statt. Die Mahlzeiten nehmen die Familien gemeinsam im Speisesaal ein. An Freitagen ist nur vormittags Programm, an den Wochenenden oder an Feiertagen steht die Zeit den Familien zur gemeinsamen Nutzung  frei zur Verfügung. Anwesenheitspflicht besteht an diesen Tagen lediglich zu den Essenszeiten und natürlich müssen während des gesamten Aufenthalts die Nächte in der Einrichtung verbracht werden.

Welche positiven Aspekte hat der Aufenthalt für die Kinder?

Für die Kinder ist es Qualitätszeit, die sie mit den Eltern verbringen können. Haushalt und Arbeit fallen weg, und so gibt es Zeiten, in denen sich die Eltern dem Kind sehr intensiv widmen können. Die meisten Kinder genießen die ungeteilte Aufmerksamkeit der Eltern sehr. Für Schulkinder gibt es während des Aufenthalts Lernbetreuung. In dieser Zeit bearbeiten sie mit unserer Lehrerin den Schulstoff, den sie von der Schule mitgebracht haben. Diese kleinen Lerngruppen wirken sich sehr oft positiv auf das Lernverhalten der Schulkinder aus.

Wir versuchen vor allem den Einstieg für die Kinder so sanft als möglich zu gestalten. Sie wissen oft nicht, was auf sie zukommt. Wenn der Aufenthalt mit Urlaub verglichen wird, können wir den damit verbundenen Erwartungen nicht gerecht werden. Mutter oder Vater stehen nicht jederzeit zur Verfügung und die Fremdbetreuung ist vergleichbar mit der Betreuung im Kindergarten oder im Hort zu Hause. Der persönliche Austausch mit den PädagogInnen in der Kinder- und Lernbetreuung am Anreisetag trägt maßgeblich dazu bei, dass der Beziehungsaufbau gut gelingen kann und sich die Kinder rasch gut aufgehoben fühlen.

©AdobeStock, Oksana Kuzmina

Auf welchen Ebenen werden die Mütter und Väter gestärkt?

In der Therapie gibt es verschiedenste Angebote zu Bewegung, Entspannung, Ernährung, Erziehung oder auch im kreativ-musischem Bereich. Man ist nicht von früh bis spät in Therapie, es gibt auch Zeiten, die frei gestaltet werden können. Der Therapieplan enthält sowohl freiwillige, verpflichtende als auch verpflichtend-wählbare Angebote. Die verpflichtend-wählbaren Module ermöglichen es, sich in den Bereichen Kreativität, Bewegung, Entspannung/Meditation und Erziehungsberatung eigene Schwerpunkte während des Aufenthalts zu setzen oder auch neue Methoden kennenzulernen.

Neben dem Therapieangebot kann auch der persönliche Austausch in der PatientInnengruppe in der therapiefreien Zeit zu einem positiven Therapieverlauf beitragen. Wenn die Balance zwischen Nähe und Distanz, Offenheit und Abgrenzung gut gelingt, wird dieser als sehr bereichernd empfunden.

Sie haben Ihr Angebot ausgeweitet, können seit 2017 jetzt 16 Familien pro Turnus aufnehmen. Haben Sie das Gefühl, dass der Druck auf Familien steigt?

Es hat sich in den letzten Jahren viel getan, wenn es um die Fremdbetreuung von Kindern geht. Die Verfügbarkeit von mehr Betreuungsplätzen sollte den Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtern, aber wir bräuchten da noch mehr.  Wenn ich erst wieder arbeiten kann, wenn die Fremdbetreuung meines Kindes gesichert ist, erzeugt das Druck und führt zu Stress. Man ist auch nicht mehr in einem großen Familienverband zusammen, sondern meist nur als Kleinfamilie. Die Großeltern arbeiten oft noch oder sind zu weit weg um unterstützen zu können. Arbeit bedeutet Unabhängigkeit und auch finanzielle Sicherheit. Wichtige Faktoren, wenn unvorhergesehene Ereignisse wie z. B. Trennung/Scheidung oder ein Todesfall die Familien belasten.

Können Sie aus Ihrer Erfahrung allen Eltern einen Ratschlag geben?

Am wichtigsten ist das Gespräch in der Familie. Dass man anspricht, wenn es zu viel wird – besser noch bevor es zu viel wird.

Wir haben gute Erfahrungen mit der Kinder- und Jugendhilfe als Ansprechpartner für Familien gemacht, auch die Hausärzte, die KindergartenpädagogInnen oder Eltern-Kind-Zentren können unterstützend sein. Es gibt viele Angebote, die man nützen kann und soll: Sich Hilfe zu holen ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Wenn ich mir zeitnah Unterstützung hole, dann kann ich meinen Weg bald wieder selbstständig gehen.

Mehr Infos über mia – Miteinander Auszeit unter www.promente-reha.at

Interessante Beiträge: