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Bei einem Trauma schaltet unser Gehirn auf ein Notprogramm um

Wer Unfälle oder Gewalt erlebt – und sei es auch nur als Beobachter – oder mit plötzlichen Todesfällen konfrontiert ist, kann mit einem Trauma reagieren. Ein Trauma ist eine psychische und akute Krise, die in jedem Fall das persönliche und gewohnte System von Sicherheit und sozialer Identität auf den Kopf stellt – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Unser Gehirn reagiert auf Erlebnisse, die der Mensch als einschneidend und emotional belastend erlebt, mit einem recht klaren und nicht beinflussbaren Programm. Das „Hin- und Herschalten“ zwischen logischem Denken und dem Fühlen wird unterbrochen.

Das Denken scheint abgeschaltet zu sein

Typisch für Menschen, die unter schwerem Schock stehen: Das Denken scheint „abgeschaltet“, Namen, Telefonnummern oder Adressen fallen den Betroffenen plötzlich nicht mehr ein. Ebenso ist aber das andere Extrem möglich: Der Betroffene agiert scheinbar „gefühlskalt“ und unbeeindruckt und agiert „wie ein Roboter“. Die Areale für das Denken und das Fühlen im Gehirn sind vom Hippocampus (lateinisch: Seepferdchen) getrennt. Der Hippocampus agiert als eine Art „Sicherheitsbeauftragter“ zwischen den Arealen für das Denken (Cortex, in der Gehirnrinde) und dem Fühlen (Amygdala, im inneren des Gehirns). Der Hippocampus ist aus der Evolution erklärbar. Er kann uns bei Gefahr zur „Salzsäule“ erstarren lassen – ein Verhalten, das wir bereits bei Reptilien beobachten können.

Typisch für Menschen, die unter schwerem Schock stehen: Das Denken scheint „abgeschaltet“. Ebenso ist aber das andere Extrem möglich: Der Betroffene agiert scheinbar „gefühlskalt“ und unbeeindruckt und agiert „wie ein Roboter“.

Der Mensch fühlt plötzlich keinen Schmerz mehr

Eine weitere, im Moment sinnvolle Funktion, die beim Menschen in Extremfällen beobachtbar ist: Ein Betroffener fühlt – trotz offensichtlich schwerer körperlicher Verletzungen – vorübergehend keinen Schmerz. Dieses Auseinanderdriften von unserem Fühlen und unserem Körper nennt man Dissoziation.

Ein schwerer Schockzustand – bis zu zwei Tage lang

Derart schwere Schockreaktionen können wenige Sekunden, aber auch bis zu 48 Stunden anhalten. Auch wenn der akute Schock abklingt, ist Beistand für den Betroffenen wichtig. In der „Abkühlungsphase“ werden die Konsequenzen des traumatischen Erlebnisses in seiner gesamten Dramatik wahrgenommen – in dieser Phase steigt unter anderem die Gefahr eines Suizidversuchs aus Verzweiflung rapide an.

Unterschied zum Trauma: Bei schwerem Stress können wir noch reagieren

Schmerzunempfindlichkeit und ähnlich dramatische Reaktionen sind Zeichen eines schweren Traumas. Bei „nur“ schweren Stressreaktionen lässt uns der Hippocampus in unserem Kopf weiterhin zwischen Gefühl und Denken wechseln. Das ermöglicht uns zum Beispiel zu flüchten, uns in Deckung zu begeben oder Angriffe abzuwehren.

Monika Czamler, ehemalige Leiterin der Krisenhilfe OÖ.