Eine angeschlagene Psyche kann die Erwerbsfähigkeit einschränken, umgekehrt können schlechte Arbeitsbedingungen die Psyche belasten. Welche Lösungsansätze hilfreich sind.
Dr. Günter Klug, Präsident von pro mente Austria, im Gespräch mit Magdalena Meergraf (Kurier).
Warum ist psychische Gesundheit am Arbeitsplatz so ein großes Thema?
Unsere Gesellschaft ist sehr leistungsorientiert. Die zweite Frage nach „Wie heißt du?“ lautet meist „Was machst du?“ Wer nicht mithalten kann, ist schnell unten durch, der eigene Selbstwert sinkt. Die Person traut sich nichts mehr zu, auch andere nehmen diese defensive Haltung wahr und trauen ihr weniger zu. Eine Abwärtsspirale beginnt. Glücklicherweise gibt es im Leben mehrere Tankstellen für Selbstwert und Energie. Eine davon ist natürlich schon die Freude am Job, aber auch der private Bereich mit Familie, Beziehung und Hobby zählt dazu. Solange dieser einigermaßen funktioniert, lässt sich mit Problemstellungen imJob gut umgehen. Wenn aber beide Tankstellen leer sind, wird es eng.
Wie kann die Förderung psychischer Gesundheit in Unternehmen aussehen?
Der Arbeitgeber hat die Verantwortung, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Es gibt leider diese Tendenz, sämtliche Verantwortung auf das Individuum zu schieben. Das ist falsch. Natürlich hat auch der Einzelne Möglichkeiten, Ausgleiche zu schaffen oder von Energiereserven zu leben – aber diese sind begrenzt. Die Arbeit muss für den Mitarbeiter Sinn machen. Dieser ergibt sich, indem er die Möglichkeit hat, mitzugestalten, seine Qualifizierung einzubringen. Ein wertschätzender Umgang ist ebenfalls wichtig. Davon profitiert das Unternehmen schlussendlich längerfristig.
Warum profitiert das Unternehmen?
Statistiken zeigen, die Krankenstände aufgrund psychischer Probleme nehmen zu. Viele davon lassen sich verhindern, unter anderem auch durch eine Sensibilisierung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Je früher jemand Hilfe erhält, desto leichter ist sein Zustand zu beeinflussen.
Wie geht Erste Hilfe für die Seele?
Zuerst ist es wichtig zu bemerken, dass etwas nicht stimmt. Der Betroffene zieht sich zurück, vielleicht erzählt er, dass er schlecht schläft, sein Essverhalten ändert sich, er nimmt ab. Kaum wer traut sich solche Zustände ansprechen. Bei Erste-Hilfe-Kursen lernt man zwar, wie man ein Pflaster befestigt, aber nicht, wie man jemanden anspricht, der ein psychisches Problem hat. „Ich habe das Gefühl, es geht dir nicht gut“, wäre zum Beispiel eine Möglichkeit. Dann gilt es zuzuhören und erzählen zu lassen. Man kann versuchen, die Person zu motivieren, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wenn es sich richtig anfühlt, kann man anbieten mitzugehen. Es gibt auch Beratungsstellen wie bei pro mente, an die man sich wenden kann.