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Wohlbefinden und gesellschaftlicher Fortschritt korrelieren miteinander

Im Königreich Bhutan gibt es eine offizielle Position dafür; Deutschland hat seit 2013 ein gleichnamiges Kunstprojekt – 2018 wurde auch in Österreich ein „Ministerium für Happiness” gegründet. Darin setzen sich mit Ruth Langer und Marie Fröhlich gleich zwei Glücksministerinnen dafür ein, dass Wohlbefinden und Zufriedenheit in Österreich regieren.

Liebe Frau Glücksministerin… ist das die richtige Ansprache und wie sieht Ihre Stellenbeschreibung aus?

Marie Fröhlich: Glücksministerin stimmt schon, Happiness-Ministerin ist zu schwer auszusprechen. Uns geht es darum, Bewusstsein zu schaffen und Menschen Werkzeuge zu geben, mit denen sie sich „empowern“ können. Wir möchten ihnen zeigen, dass sie es selbst ein Stückweit in der Hand haben, für mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden in unterschiedlichen Lebenskontexten zu sorgen. Von Schule über Arbeitsplatz  – generell sind wir für alle da, die etwas für sich und ihr Glück tun möchten.

Woher kommt diese Faszination fürs Glück?

Wir kommen beide aus dem Trainingskontext. Ruth Langer hat Erfahrungen im Train-the-Trainer-Bereich, ich im betrieblichen Gesundheitsmanagement. In beiden Gebieten haben wir uns mit den Belastungen der Menschen an ihren Arbeitsplätzen beschäftigt und nach etwas gesucht, womit man diese mildern kann. Unabhängig von einander sind wir der „Positiven Psychologie“ von Martin Seligman begegnet und haben uns entschieden, den Lehrgang zu besuchen.

Was ist das Besondere an dieser wissenschaftlichen Lehre?

Das PERMA-Modell ist die Basis für unsere Arbeit. P steht für positive Emotionen, E für Engagement, R für Relationship, M für Meaning und dem einen Sinn geben, was man tut, A für Achievement. Das sind die Schlüsselfaktoren, die Martin Seligman 1998 als Basis für den neuen Wissenschaftszweig definiert hat. Mittlerweile gibt es wissenschaftliche Belege dafür, wie diese fünf Faktoren das Aufblühen eines Menschen und das Gelingen des Lebens ermöglichen. Eines der großen Themen ist, seine eigenen Stärken einzubringen. Das ist so viel effizienter und macht mehr Freude, als dauernd Schwächen ausgleichen zu müssen. Dieses PERMA-Modell hilft uns in unserer täglichen Arbeit und hat zur Idee geführt, gemeinsam das Unternehmen „Ministerium für Happiness“ zu gründen.

Warum dieser Name – warum Happiness statt Glück?

Happiness hat für uns mehr Facetten als Glück. Seligman hat als Zentrum der Forschung zwei Elemente definiert, das Werte- und das Wohlfühlglück. Letzteres sind kurze Erlebnisse wie ein warmer Tee im Winter. Werteglück hingegen ist das, was tiefer geht: Dankbarkeit, Beziehungen, Sinn… Beides zusammen ist mehr als Glück. In Happiness ist dieses Mehr enthalten.

Laut Ha Vinh Tho, seines Zeichens offizieller Glücksminister von Bhutan, setzen sich sowohl Deutschland als auch Österreich zu wenig fürs Glück ihrer Bewohner ein. Die deutsche Glücksministerin hat sich als Ziel in ihren Statuten gesetzt, „Glück als Politikziel zu verankern“. Muss Glück regiert werden?

Wir sehen das ganz genau so. Die Qualität des individuellen Glücks hat in der Politik von heute keinen Platz, dabei beeinflusst sie alle unsere Lebensbereiche – von Umwelt, Natur, Bildung, Gemeinschaftserleben bis zum Gesundheitswesen, das ich seit vielen Jahren gut kenne. Leider wird unterschätzt, dass es auch wirtschaftlich profitabel ist, wenn sich Menschen subjektiv wohlfühlen und zufrieden mit ihrem Leben sind. Wissenschaftliche Studien weisen nach, dass sie dann gesünder sind, länger leben, aber auch leistungsstärker und motivierter sind. Wenn die Politik ein Umfeld schafft, das uns glücklich und zufrieden sein lässt, hätte das positive Auswirkungen für alle Seiten. Allgemeines Wohlbefinden und gesellschaftlicher Fortschritt korrelieren miteinander. Es wäre gut, wenn Politiker das auch erkennen.

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Immer wieder wird das Modell des „Bruttonationalglücks“ des Königreichs Bhutan ins Spiel gebracht. Braucht es diese Messung auch in Österreich?

Bhutan hat natürlich andere Bausteine, anhand derer das Bruttonationalglück gemessen wird: Zugang zu Schulbildung, Essen, die Gemeinsamkeit kommt in den Vordergrund, weil die Dörfer so weit voneinander entfernt sind. Die Inhalte sind also mit einem Land wie Österreich nicht zu vergleichen. Wir leben in einem der sichersten und reichsten Länder der Welt. Trotzdem begrüßen wir eine solche Messung. Sie ist eine Ist-Analyse, mit der man gut arbeiten kann. Man kann prüfen, ob man auf einem guten Weg ist, seine Ziele zu erreichen und unterstützend eingreifen.

Betrachtet man den World-Happiness-Report sieht es in Sachen Glück für Österreich allerdings düster aus: Vor ein paar Jahren lagen wir auf Platz 8, heute sind wir auf Rang 12 abgefallen. Wie erklärt ihr das?

Für uns ist die politische Entwicklung in Österreich eine Erklärung. Im Moment führt diese vom Sozialstaat weg, in dem wir gelebt haben. Da kommen Ängste hoch. Auf anderen Seite sehen wir immer stärkeres Stressempfinden: Die Arbeitsbedingungen werden schlechter, und die Abgrenzung zwischen Beruf und Freizeit fehlt. Darüber hinaus werden wir immer stärker mit negativen Informationen konfrontiert. Wenn ein Österreicher im Sport den 2. Platz belegt, gibt es kein „Hurra“ in den Medien, sondern es wird geschrieben, er habe den „ersten Platz verpasst“. Die Menschen merken nicht mehr, wie stark solche negativen Formulierungen ihr Denken beeinflussen. Hier muss man schon bei Kindern und Jugendlichen sowie deren Umgang mit Medien ansetzen.

Apropos: Ihr habt ein spezielles Glücksprogramm für Schulen entwickelt. Wie sieht das aus?

Die Schule ist neben Stress und Burnout am Arbeitsplatz unser zweiter Schwerpunkt. Im Programm „PERMA for kids“ möchten wir wieder die Begeisterung fürs Lernen wecken und das Modell so anwenden, dass die Potenziale der Kinder gefördert werden, sie innovativer und kreativer werden. Als Folge entsteht Selbstbewusstsein und durch eigene Erfolgserlebnisse gestärkt, fällt das Lernen leichter. Das Ganze ist bereits in der Praxis erprobt: Wir arbeiten beide als ehrenamtliche Lernhelferinnen bei der „Wiener Lerntafel“, wo vor allem Kinder mit Migrationshintergrund Nachhilfeunterricht bekommen. In diesem Zusammenhang haben wir PERMA-Trainings für die Lernhelfer durchgeführt.

Mittlerweile hat man den Eindruck, dass man Glück nicht nur lernen kann, sondern „muss“. Dieser Glücksdruck aber macht Studien zufolge erst recht unglücklich. Wie geht Ihr damit um?

Wir empfinden diesen Zwang nicht. Aber es stimmt, es gibt den Druck. Deshalb ist es wichtig, dafür zu sensibilisieren, was Glück ist und mit Halbwahrheiten aufzuräumen. Hier kommen wieder Wohlfühl- und Werteglück ins Spiel. Dass das Streben nach materiellen Gütern sicher nicht glücklich macht, sofern alle Grundbedürfnisse abgedeckt sind. Dass Geben glücklicher macht, als ständig Neues zu kaufen. Dass die Menschen viel zu viel in Zukunft oder Vergangenheit denken und das Hier und Jetzt aus den Augen verlieren.

Welche drei Glückstipps habt ihr ad hoc parat?

Positive Emotionen leben steht weit oben. Wir sind beide auch als Humorberaterinnen tätig, und Lachen ist eine wichtige Aktivität. Nicht immer den Fokus auf das zu legen, was nicht passt, sondern so viele positive Emotionen wie möglich bewusst zu erleben und mitzugestalten. Ruth nennt es: dafür zu sorgen, dass es dir persönlich am besten geht. Dieser gesunde Egoismus ist entscheidend. Dazu gehört auch ein gutes Beziehungsnetzwerk, das gepflegt werden muss. Für uns zählt außerdem dazu, sich Ziele zu setzen, für die wir brennen – beruflich wie privat. Um Martin Seligman zu zitieren: „Etwas, das größer ist, als du selbst.“

Nicht immer den Fokus auf das legen, was nicht passt, sondern so viele positive Emotionen wie möglich bewusst erleben und mitgestalten.

Nicht immer sind diese Ziele erreichbar. Führt Scheitern nicht direkt ins Unglück?

Das ist eine sehr gute Frage. In Amerika gibt es die Kultur des Scheiterns, bei uns ist es verboten. Dabei ist Scheitern dazu da, um sich weiter zu entwickeln, um zu lernen, was wir beim nächsten Mal besser machen können. Generell ist Glück nichts, das dauerhaft auf 100 Prozent läuft. Das wäre ungesund und ist biologisch nicht machbar. Man braucht diese Wellen. Um Glück empfinden zu können, muss es auch einmal nicht so gut gehen. Aber es ist wichtig zu wissen, dass ich aktiv dazu beitragen kann, aus dem Tal der Tränen wieder herauszukommen.